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Insekten in 3D

Insekten durch eine Lupe zu betrachten, ist sicher eine tolle Sache. Wir bieten hier aber eine weitere lässige Möglichkeit: Entdecken Sie unsere Sammlung von 3D-Insektenmodellen!

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Bewahrung und Zugänglichkeit revolutioniert: 3D-Insektenmodelle

3D-Modelle und -Bilder von Insekten sind für die taxonomische Forschung von unschätzbarem Wert, da sie gleichzeitig die physische Erhaltung der Exemplare sicherstellen und weltweit zugänglich sind.

In den letzten Jahren hat die 3D-Digitalisierung zunehmend an Bedeutung gewonnen. Sie bietet eine einzigartige Möglichkeit, physische Objekte und Artefakte digital zu bewahren, zu dokumentieren und einem breiteren Publikum als je zuvor zugänglich zu machen. Dies stellt eine Abkehr von den traditionellen Methoden dar, bei denen Forschende diese Gegenstände physisch handhaben oder sie über Länder oder sogar Kontinente hinweg versenden mussten, was neben dem Risiko von Beschädigungen oder Verlusten auch hohe Kosten und einen grossen Zeitaufwand bedeutete.

Im Gegensatz zu realen Exemplaren können digitale 3D-Darstellungen leicht mit Forschenden auf der ganzen Welt geteilt werden, was die Zusammenarbeit erleichtert und eine eingehende Untersuchung von Form, Gestalt und Textur in hoher Qualität ermöglicht.

Methoden der Digitalisierung

Für die Digitalisierung von naturkundlichen Sammlungen gibt es verschiedene Methoden. Für die Gewinnung von 3D-Daten gilt die Photogrammetrie* als die vielseitigste Methode für Objekte unterschiedlicher Grösse, wobei sie auch als kostengünstig gilt. In den letzten Jahren sind innovative Bildgebungstechnologien auf den Markt gekommen, die die Erfassung komplexer Exemplare wie Insekten erheblich beschleunigen. Die daraus resultierenden 3D-Modelle ermöglichen die genaue Messung von 1D-, 2D- und 3D-Merkmalen, einschliesslich funktionell relevanter Merkmale, sowie die Messung von Volumina, was bei physischen Exemplaren nicht möglich ist. Diese Technologie stösst bei feinen Haaren und stark reflektierenden Oberflächen an ihre Grenzen. 

Ein Paradebeispiel: Die entomologische Sammlung der ETH Zürich

Die Entomologische Sammlung der ETH Zürich umfasst über 2 000 namensgebende Insektentypen und insgesamt rund 2 Millionen Insektenexemplare, vorwiegend aus der Schweiz, Mitteleuropa und Nordafrika. Typusexemplare sind für die taxonomische Forschung von grosser Bedeutung und dienen als Grundlage für die Benennung und Beschreibung neuer Arten. Sie sind intensiv untersuchte Objekte in entomologischen Sammlungen. 

Durch die Erstellung digitaler Repräsentationen wird die physische Unversehrtheit dieser Exemplare gewahrt, während die Arbeit der Taxonomen und Taxonominnen beschleunigt und der Zugang für Spezialisten und Spezialistinnen an entlegenen Orten, insbesondere ausserhalb Europas und Nordamerikas, ermöglicht wird.  Eine beträchtliche Anzahl von Exemplaren stammt aus dem Globalen Süden. Die mangelnde Infrastruktur für eine angemessene Konservierung der Exemplare in diesen Regionen macht deren Transport in die westliche Welt erforderlich. Aufgrund begrenzter Ressourcen stellen aber Inspektionen vor Ort eine erhebliche Herausforderung für Wissenschaftler:innen aus diesen Regionen dar. Die Digitalisierung ist ein wertvolles Instrument, das diesen Wissenschaftler:innen ermöglicht, auf ihre eigenen Exemplare sowie auf andere Sammlungen in digitaler Form zuzugreifen und mit diesem wertvollen Material wissenschaftliche Forschung zu betreiben.  

Vorreiter dieser Digitalisierungsbemühungen ist die Entomologische Sammlung der ETH Zürich, die 2021 einen von SMALL WORLD VISION entwickelten DISC3D-Scanner erwarb und damit als erstes Schweizer Institut mit dem 3D-Scannen ihrer Insektensammlung begann. Die Entomologische Sammlung der ETH Zürich hat sich zum Ziel gesetzt, die bestehenden DISC3D-Scannerverfahren zu verfeinern und weiterzuentwickeln, um die Vorteile dieser Technologie auf spannende neue Bereiche wie Bildung und Öffentlichkeitsarbeit mit 3D-Insektenmodellen auszuweiten. Das vom SNF Agora unterstützte Projekt "Virtual Insect Collections" ist ein erster Schritt in diese Richtung.

Wie funktioniert es?

Der DISC3D-Scanner, der von der Entomologischen Sammlung der ETH Zürich verwendet wird, nutzt die Structure from Motion (SfM) Photogrammetrie zur Erstellung von 3D-Modellen. Bemerkenswerterweise ist dieser Scanner das einzige System, das Mehrbildaufnahme (Multi-View) und Bildgebung mit erweiterter Schärfentiefe (Extended-Depth-of-Field) in einem automatisierten Prozess integriert. Die Mehrbildaufnahme erfasst morphologische Merkmale, Farben und Texturen und gibt sie in den resultierenden 3D-Modellen wieder. Da Insekten oft klein sind und eine geringe Schärfentiefe aufweisen, werden mehrere Bilder mit unterschiedlichen Fokuspunkten aufgenommen und kombiniert, um ein endgültiges Bild mit erweiterter Schärfentiefe zu erhalten, das vollständig im Fokus ist.

Der DISC3D-Scanner ist mit einer Industriekamera und einem kompakten Makroobjektiv ausgestattet. Diese Konfiguration bietet Vorteile wie die vollständige Computersteuerung der Bilderfassung und -verarbeitung. Eine halbkugelförmige Beleuchtungskuppel verhindert überbelichtete Glanzlichter auf glänzenden Insektenoberflächen. Die Probe ist auf einem zweiachsigen Kardanrahmen (Gimbal) montiert, der die Probe durch vorgegebene Positionen bewegt und so eine Perspektive aus praktisch allen Winkeln ermöglicht. Die motorisierte Kamera nimmt von jeder Probenposition mehrere Bilder auf, so dass etwa 400 Bilder mit erweiterter Schärfentiefe entstehen. Diese Bilder werden von einer photogrammetrischen Software verarbeitet, um ein detailliertes 3D-Modell mit einer farbigen Texturkarte zu erstellen. Die resultierenden 3D-Modelle dienen zusammen mit den Bildern mit erweiterter Schärfentiefe, den Kameraeinstellungen, den Probenpositionen und der Objektivkonfiguration als umfassende Datenbank.

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Draufsicht auf den DISC3D-Scanner. Das Präparat befindet sich im Inneren der Beleuchtungskuppel, das Makroobjektiv ist auf dem Makroschlitten montiert. Das Präparat wird durch eine Öffnung in der Beleuchtungskuppel rechts fotografiert (auf dem Bild nicht sichtbar). Bild: © Christian Felsner

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Die gestapelten Bilder werden von der photogrammetrischen Software verarbeitet, um 3D-Modelle zu erstellen. Bild: © Christian Felsner

*Glossar

Photogrammetrie: Technologie, die berührungslose Messmethoden und Auswerteverfahren einsetzt, um die Position und Form eines Objekts anhand von Fotos zu bestimmen. Ziel der Photogrammetrie ist eine exakte dreidimensionale geometrische Rekonstruktion des aufgenommenen Objekts.

Autor:in

Christian Felsner

Christian Felsner

ETH Zurich Entomology Collection

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