Serie IT-Fundstück 3/2020: Was verbinden Sie damit?

Kommen Sie mit auf eine Zeitreise in die Vergangenheit: Worum handelt es sich bei diesem Gegenstand, und was verbinden Sie persönlich damit? Erzählen Sie uns Ihre Geschichte!

Magnetplatte, die an der ETH zum Einsatz kam
Magnetplatte, die an der ETH zum Einsatz kam

Der Preisvergleich zu früher ist sehr interessant. Heute bekommt man 4 TB Speicher für unter Hundert Franken. Gemessen daran hätte der damalige Speicher nicht 250’000 Dollar kosten dürfen, sondern nur 3 Rappen. Mehr Vergleiche finden sich unten im Post.

Unsere Geschichte / unser Geschenk

Die ID hat von Carl August Zehnder ein «schwergewichtiges Geschenk» in Form einer alten Magnetplatte vermacht bekommen. Carl August Zehnder war ordentlicher ETH-Professor für Informatik, mit Arbeitsschwerpunkten in Entwicklung und Einsatz grosser Informationssysteme, Informationsmanagement, Führung von Informatikprojekten, Informatikausbildung und Informatikrecht. Mit Unterbrüchen war er von 1958 bis 2003 an der ETH tätig.

Auf einer handschriftlichen Notiz an Rui Brandao war vermerkt, dass die Platte aus dem ersten kommerziellen Rechner der ETH von der CDS 1604A aus dem Jahr 1964 stamme. «1964 kaufte die ETH erstmals einen industriell gefertigten Computer des Herstellers Control Data Corporation, den CDC 1604A. Für den Betrieb wurde eine eigene Organisation – das Rechenzentrum – gegründet (ETH-History)». «Der Entscheid fiel schliesslich zugunsten eines CDC 1604A-Computers. Die «Control Data Corporation» (CDC) war 1957 gegründet worden und baute einerseits als Zulieferer Peripherieteile für andere Computerhersteller, andererseits stellte sie eigene Grosscomputer her. Der erste Chefdesigner von CDC war Seymour Cray, dessen spätere eigene Firma Synonym für leistungsfähige Supercomputer werden sollte. … Die neue Computeranlage wurde im Hauptgebäude in den gleichen Räumlichkeiten untergebracht, in denen zuvor die ERMETH gestanden hatte… (Informatik an der ETH Zürich 1948–1981 Zwischen Wissenschaft und Dienstleistung)».

ETH-Gruppenbild mit Sekretärinnen der Fachgruppe Informatik und des RZ (Bild ETH/Peter Staub/ID)
ETH-Gruppenbild mit Sekretärinnen der Fachgruppe Informatik und des RZ (Bild ETH/Peter Staub/ID)

Die 1604-A gehörte zu jener Generation Rechenmaschine, bei welcher die Rechenarbeiten ab einem schnellen Magnetband, und zwar sequentiell, zur Durchführung gelangten. Es wurde in der Hauptmaschine ein Programm nach dem andern verarbeitet, so wie diese vorgängig, stapelweise und in der Reihenfolge ihrer Abgabe mit Hilfe einer separaten, kleinen Maschine auf das Magnetband kopiert worden waren.

Recherche

Die Informatikdienste haben sich sehr über dieses historische Original gefreut und die Platte mit dem Durchmesser von etwa 66 cm in ihrem ETH-Gebäude an die Wand gehängt. Gemäss der Vermutung eines ID-Mitarbeitenden war die Platte Teil eines Plattenstapels, der mehrere solche Platten übereinander in einem Zylinder enthielt. Als es darum ging, die Platte mit einigen Informationen anzuschreiben, kamen einzelne Puzzle-Teile zusammen. Einige Informationen zur CDC 1604-A konnten wir auf der ETH History-Seite finden: http://www.ethistory.ethz.ch/rueckblicke/verwaltung/informatikdienste/material_dokumente/artikel_schai2.pdf. Ein Magnetplattenspeicher der CDC 1604-A wurde darin jedoch nicht erwähnt.

Unser detektivischer Spürsinn war geweckt

Über Andreas Dudler, ehemaliger Leiter der Direktion Informatikdienste, ETH Zürich gelangten wir an Peter Staub, ETH-Vertragswesen und pensionierter Stellvertreter des damaligen ID-Direktors. Er selbst hatte zwar nie auf der CDC 1604 respektive der CDC 160A gearbeitet, konnte sich aber mit ehemaligen Kollegen aus alten Zeiten austauschen, die auf diesen Anlagen gearbeitet hatten. Jedoch an Disks konnten sie sich nicht erinnern, weder bei der 1604 noch bei der 160A. Auch im Reference Manual der 1604 noch in der CDC 160A-Broschüre konnten Sie nichts über Magnetic Discs finden: http://bitsavers.org/pdf/cdc/160/160-A_Peripheral_Brochure_Nov62.pdf.

Aber die CDC-Anlagen aus dem Ende der 60er Jahre (CDC 6400 und CDC 6500) hatten Plattenspeicher mit riesigen Dimensionen. An diesen Anlagen gab es zwei Disk Drives (6638 und 821), welche beide mehrere Tonnen schwer gewesen waren.

Gemäss Recherche Peter Staub stammt die Platte gemäss der aufgedruckten Nummer von einem Speichersystem, welches an der CDC 6400 resp. 6500 angeschlossen war. Dazu gibt es zwei Typenbezeichnungen 808 und 6638.

Auch Dieter Gut, Qualitätsmanager der ID, kam nach eingehender Internetsuche zu dem Fazit, dass die Platte zu einem CDC 6400/6500 System gehören könnte, welches mit dem Neubau der Clausiusstrasse 1970 beschafft wurde. Die vorherige CDC 1604 hatte nämlich Magnetbänder.

Lang ist es her (Bild ETH/Peter Staub/ID)
Lang ist es her (Bild ETH/Peter Staub/ID)

«Die Kommission fällte noch im gleichen Jahr (Anmerkung 1968) den Entscheid für einen neuen Grossrechner. Es handelte sich dabei um ein Doppelsystem bestehend aus den Modellen CDC 6400 und CDC 6500, kombiniert mit einem komplexen Mehrmaschinen-Betriebssystem, das für die ETH noch angepasst werden musste. 1970 bezog das Rechenzentrum zusammen mit den Computerwissenschaftern den Neubau «RZ» an der Clausiusstrasse, wo sich die Informatikdienste heute noch befinden und nahm gleichzeitig das neue Computersystem in Betrieb… (Informatik an der ETH Zürich 1948–1981 Zwischen Wissenschaft und Dienstleistung)».

Bilder CDC im Einsatz an der ETH

Gehäuse für den Plattenspeicher (Bild ETH/Peter Staub/ID)
Gehäuse für den Plattenspeicher (Bild ETH/Peter Staub/ID)

Geöffnetes Kabinett für Wartungsarbeiten (Bild ETH/Peter Staub/ID)
Geöffnetes Kabinett für Wartungsarbeiten (Bild ETH/Peter Staub/ID)

Blick auf die Leseköpfe und Positionierungseinheit (Bild ETH/Peter Staub/ID)
Blick auf die Leseköpfe und Positionierungseinheit (Bild ETH/Peter Staub/ID)

Auf der Suche nach Vergleichen

Um verständlich zu machen, welche gewaltigen Fortschritte die Technologie in den letzten 50 Jahren gemacht hat, wäre es eindrücklich, Vergleiche zu heute ziehen zu können. Nun – aber so einfach vergleichen kann man es nicht. Die heutigen Systeme haben einen schnellen aber flüchtigen Speicher (RAM) plus einen nichtflüchtigen, langsamen, grossen Speicher (Disk, SSD). Die alten Rechner hatten meist nur den langsamen Speicher (Kernspeicher, Trommeln oder Platten). Und der war schon teuer genug!

  • RAM = Random-Access Memory (Speicher mit wahlfreiem/direktem Zugriff = Direktzugriffsspeicher)
  • SSD = Solid-State-Drive bzw. Solid-State-Disk, seltener auch Halbleiterlaufwerk oder Festkörperspeicher genannt

Dieter Gut bemühte als Quellen das Internet und die ETH-Bibliothek, u.a. von Alfred Schai (erster Leiter des Rechenzentrums RZETH).

Speichervergleich

  • Ein Smartphone hat z.B. 8 GB RAM und 64 GB SSD
  • Ein ZO-Rechner (zentrale Organe der ETH) 32 GB RAM und 512 GB SSD. Tendenz steigend.
  • Ein Smartphone könnte darum etwa 40’000 solche Plattenseiten speichern
  • Ein ZO-Rechner etwa 320’000 solcher Platten

Peter Staub schreibt uns: «Wenn man das Manual von der CDC genau anschaut, dann hat jede CDC 6638 128 Plattenoberflächen, also 64 Platten. Die Kapazität wird wie folgt beschrieben: «Data Capacity: Each track has a maximum practical capacity of 41,920 data bits (10 records). One disk surface, therefore, can contain a maximum of 8, 048,640 data bits (192 tracks times 41,920 data bits). An entire disk file can contain 1,030,225,920 data bits (128 data storage surfaces times 8,048,640 data bits) or 171, 704, 320 6-bit characters.» Dies sind nach seiner Rechnung dann pro CDC 6638 total ca. 130 MByte (8 Bit).»

Zum Magnetplattensystem gibt es noch ein Original Manual von Control Data Corporation unter: http://www.bitsavers.org/pdf/cdc/cyber/peripheralCtlr/60196200_6638_Disk_File_System_808_Disk_File_Reference_Dec66.pdf

Grössenvergleich

Viel imposanter ist der Grössenvergleich. Einen Fünftel Quadratmeter gegen 6 Quadratnanometer oder ungefähr ein Staubkorn von einem Zehntel Millimeter Kantenlänge auf die Fläche der ganzen Schweiz.

Preisvergleich

Der Preis ist auch interessant. Heute bekommt man 4 TB Speicher für unter Hundert Franken. Gemessen daran hätte der damalige Speicher nicht 250’000 Dollar kosten dürfen, sondern nur 3 Rappen.

Peter Staub ist sich nicht sicher, ob die Preisangabe für die CDC 6638 mit CHF 250’000 stimmt. Die gesamte Beschaffung der CDC 6400/6500 im Jahr 1969 hat CHF 26 Mio. gekostet. Ein Zeilendrucker von CDC LP512 stand mit über CHF 500’000 zu Buche.

Weitere Fakten

  • Ein CDC 6603 Disk Device (1970) hatte 32 Oberflächen (also 16 Platten) mit 26 Zoll
  • Das Device konnte 7471104 60 Bit Wörter speichern
  • Umgerechnet macht das pro Oberfläche 1.669 Mbyte
  • Die Platten drehten mit 900 rpm
  • Transferrate max. 1Mbyte/s
  • Die ersten Exemplare gingen bei einem Head Crash jeweils in Flammen auf (Anekdote)
  • Ein CDC 6603 Disk kostete damals $ 205’000.-
  • Zu den Diskdrives: Die Maschinen CDC 6400 und CDC 6500 hatten je einen CDC 6638 Plattenspeicher. Die CDC 821 konnte von beiden Rechenanlagen benutzt werden.
  • Schon im September 1956 stellt IBM das erste magnetische Festplattenlaufwerk vor (Wikipedia). Bei unserem Gegenstand handelt es sich um einen Magnetplattenspeicher, wahrscheinlich aus den 60er Jahren.
Foto vom Lesekopf bei der 6638 mit den 6 Heads (kardanisch beweglich) (Bild ETH/Peter Staub/ID)
Foto vom Lesekopf bei der 6638 mit den 6 Heads (kardanisch beweglich) (Bild ETH/Peter Staub/ID)

Bild vom Lesekopf (mit nur einem Head): Bei der grösseren CDC 821 waren es ca. 860 Mbyte (Bild ETH/Peter Staub/ID)
Bild vom Lesekopf (mit nur einem Head): Bei der grösseren CDC 821 waren es ca. 860 Mbyte (Bild ETH/Peter Staub/ID)

Peter Staub hat auch noch einen Überblick gefunden, welches die Entwicklung der «Computerei» etwas anders darstellt, siehe dazu das PDF auf der ETH-Webseite «Historisches / ID-Geschichte».

Rolf Müri, Informatikdienste bei einer Reparatur an einem Magnetplatten-Stapel. Der Hammer liegt parat. (Bild ETH/Peter Staub/ID)
Rolf Müri, Informatikdienste bei einer Reparatur an einem Magnetplatten-Stapel. Der Hammer liegt parat. (Bild ETH/Peter Staub/ID)

Das Zerlegen und wieder Zusammensetzen eines Plattenstapels war eine diffizile feinmechanische Arbeit, welche üblicherweise nur vom Wartungstechniker des Herstellers vorgenommen wurde. Es könnte durchaus sein, dass Rolf Müri vor seiner Tätigkeit in Franz Bachmanns VPP-Gruppe, Techniker bei CDC war. An der ETH und bei den Informatikdiensten hatten wir mehrere solcher Werdegänge, in denen Techniker der Hersteller später Mitarbeiter der ID wurden.

Rolf Müri, Informatikdienste beim Platten wechseln (Bild ETH/Peter Staub/ID)
Rolf Müri, Informatikdienste beim Platten wechseln (Bild ETH/Peter Staub/ID)

Platten wechselte man nur, wenn sie kaputt oder die neuen Platten viel grösser, dann zusammen mit den Kopfeinheiten, waren. Im Vergleich zu früher sind heute die Abstände zwischen Kopf und Platte winzig, falls man überhaupt noch bewegliche Teile verwendet.

Aus heutiger Sicht mutet es erstaunlich an, dass alles damals noch völlig offen war. Heute werden die Platten im Reinraum montiert und hermetisch gekapselt. Auch gibt es zusätzlich noch einen integrierten Filter, der allfällige Kleinstpartikel im Betrieb absorbiert. Der Zeitpunkt des Abkapselns kam erst recht spät: Im grossen Stil passierte diese Umstellung mit Einführung der Dünnfilmtechnologie, Ende der 80er bis Anfang der 90er Jahre, also etwa 10 bis 20 Jahre nach dem Entstehen dieser Fotos.

Geschichte VPP

Spannend, was wir bei der Recherche alles herausbekommen haben. Dies könnte ein eigenes Thema werden, wenn wir mehr Infos dazu erhalten.

Inspektion Franz Bachmann und Reinhold Gaebel (Bild ETH/Peter Staub/ID)
Inspektion Franz Bachmann und Reinhold Gaebel (Bild ETH/Peter Staub/ID)

Franz Bachmann war lange Zeit der Leiter des VPP (Verteiltes Printen und Plotten) und bis etwa 2010/2011 bei der ID und lange Jahre bei den ID Systemdiensten. Nach 2005 oder 2007 war er dann bei ID BD. Von dort aus ging es in die verdiente Pension.

Ganz am Anfang gab es das übliche Verteilen von Lineprinter-Outputs in Fächer beim Rechenzentrum. Daraus entstand das VPP. Das heisst die Leute gaben ihren Input (Programme und Daten auf Lochkarten oder Magnetbändern) an einem Schalter ab und holten dann den Output (Listen aus Lineprintern) am selben Schalter wieder ab. Grössere Kunden hatten ein eigenes Fach, in dem der Output abgelegt wurde und so auch abgeholt werden konnte, wenn niemand am Schalter war. Mit der Verteilung von Printern an Standorte entfernt vom Rechenzentrum brauchte es Methoden, den Output statt in Fächer auf diese Drucker zu leiten. Eine Methode davon wurde dann später das VPP. Aus dem ja wiederum der heutige Print Service der Informatikdienste entstanden ist.

“Dementsprechend kamen sowohl Franz Bachmann, als auch Reinhold Gaebel ursprünglich aus dem Rechenzentrum. Franz war anscheinend von Anfang an auf Drucker spezialisiert. Reinhold machte meines Wissens damals bereits primär Anwenderunterstützung. Er wurde in der späteren Organisation der Leiter der damaligen Sektion Anwenderunterstützung und war der Vorgänger von Wolfgang Korosec, der diesen Bereich in die spätere Sektion TIM (Technologie- und Informationsmanagement) weiterentwickelte.” (Peter Staub)

Ihre Geschichte

Was verbindet Sie mit diesen Magnetplatten? Hatten Sie auch mit ihnen zu tun oder kennen Sie jemanden, der noch damit gearbeitet hat? Oder können Sie uns mehr zur damaligen VPP erzählen? Ist dies der Fall, sind wir gespannt über Ihre Kontaktaufnahme mit Ihrer Geschichte als Kommentar in diesem Post. Und falls Sie ein IT-Fundstück für unsere inside|out-Rubrik haben, nehmen Sie bitte mit uns Kontakt auf.

Internetrecherche/ Quellen

Bei der Recherche sind wir auf so viel spannende Seiten und Artikel gestossen, die wir Ihnen sehr empfehlen können.

  • Rechenzentrum (RZETH) (ETHistory)
  • Informatikdienste: Vom Rechnen für die Forschung zur Unterstützung aller Kernprozesse (ETHistory)
  • Das Rechenzentrum von Albert Schai (ETHistory)
  • Informatikkonzept der ETH Zürich für die Jahre ab 1994, Vorschläge der Arbeitsgruppe Informatikkonzept ETH Zürich (ETHistory)
  • Informations- und Kommunikations- Technologiekonzept (ICT-Konzept) der ETH Zürich 2003 – 2007 (ETHistory)
  • Zürcher Hochschulinformatik 1948– 2003 im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Anwender-bedürfnissen und Aufbau (Prof. Dr. Carl August Zehnder, em. Professor für Informatik, ETH Zürich) (ETHistory)
  • D-INFK Institutionelle Entwicklung (ETHistory)
  • Festplattenlaufwerk (Wikipedia)
  • CDC = Control Data Corporation (Wikipedia)
  • Die CDC 7600 (Bernd Leitenberger)
  • Sechs Megabyte pro Quadratmeter Festplatte (Focus Online)

Kontakt

Ihre inside|out-Redaktion

Bisherige IT-Fundstücke zum Raten

Historisches / die ID & ETH schreiben Geschichte

Mehr zur ID-& ETH-Geschichte im ID-Blog und auf der ETH-Webseite).

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