Solare Brennstoffe aus Luft herstellen

Chemieingenieurfachleute der EPFL haben ein solarbetriebenes künstliches Blatt erfunden, das auf einer neuartigen, transparenten und porösen Elektrode basiert, die Wasser aus der Luft aufnehmen und in Wasserstoff umwandeln kann. Die Technologie auf Halbleiterbasis ist skalierbar und einfach herzustellen.
© 2023 EPFL / Alain Herzog: Kevin Sivula und sein Team haben ein solarbetriebenes künstliches Blatt erfunden, um Wasserstoff aus feuchter Luft zu gewinnen.

Ein Gerät, das Wasser aus der Luft auffängt und Wasserstoff als Treibstoff liefert – und das ausschliesslich mit Sonnenenergie betrieben wird – ist seit Jahrzehnten ein Traum der Forschenden. Nun haben der EPFL-Chemieingenieur Kevin Sivula und sein Team einen wichtigen Schritt getan, um diese Vision der Realität näher zu bringen. Sie haben ein geniales und doch einfaches System entwickelt, das eine auf Halbleitern basierende Technologie mit neuartigen Elektroden kombiniert, die zwei wichtige Eigenschaften aufweisen: Sie sind porös, um den Kontakt mit dem Wasser in der Luft zu maximieren, und transparent, um die Sonneneinstrahlung auf die Halbleiterbeschichtung zu maximieren. Wenn das Gerät einfach dem Sonnenlicht ausgesetzt wird, nimmt es Wasser aus der Luft auf und produziert Wasserstoffgas. Die Ergebnisse werden am 4. Januar 2023 in Advanced Materials veröffentlicht.

Was ist das Neue? Es sind ihre neuartigen Gasdiffusionselektroden, die transparent, porös und leitfähig sind und diese solarbetriebene Technologie zur Umwandlung von Wasser – in seinem gasförmigen Zustand aus der Luft – in Wasserstofftreibstoff ermöglichen.

«Um eine eine nachhaltige Gesellschaft zu verwirklichen, brauchen wir Möglichkeiten, erneuerbare Energie in Form von Chemikalien zu speichern, die als Brenn- und Einsatzstoffe in der Industrie verwendet werden können. Solarenergie ist die am häufigsten vorkommende Form erneuerbarer Energie, und wir bemühen uns um die Entwicklung wirtschaftlich wettbewerbsfähiger Verfahren zur Herstellung von Solartreibstoffen», sagt Sivula vom EPFL-Labor für Molekulartechnik optoelektronischer Nanomaterialien und Hauptautor der Studie.

Inspiration aus Pflanzenblättern

Bei ihrer Forschung nach erneuerbaren, fossilfreien Kraftstoffen liessen sich die EPFL-Ingenieurfachleute in Zusammenarbeit mit Toyota Motor Europe von der Art und Weise inspirieren, wie Pflanzen in der Lage sind, Sonnenlicht mit Hilfe von Kohlendioxid aus der Luft in chemische Energie umzuwandeln. Eine Pflanze erntet im Wesentlichen Kohlendioxid und Wasser aus ihrer Umgebung und kann diese Moleküle mit dem zusätzlichen Energieschub des Sonnenlichts in Zucker und Stärke umwandeln – ein Prozess, der als Photosynthese bekannt ist. Die Energie des Sonnenlichts wird in Form von chemischen Bindungen in den Zuckern und Stärken gespeichert.

Die von Sivula und seinem Team entwickelten transparenten Gasdiffusionselektroden wirken, wenn sie mit einem Licht sammelnden Halbleitermaterial beschichtet sind, tatsächlich wie ein künstliches Blatt, das Wasser aus der Luft und Sonnenlicht aufnimmt, um Wasserstoffgas zu erzeugen. Die Energie des Sonnenlichts wird in Form von Wasserstoffbrückenbindungen gespeichert.

Anstatt Elektroden aus herkömmlichen, für das Sonnenlicht undurchsichtigen Schichten zu bauen, besteht ihr Substrat aus einem dreidimensionalen Netz aus gefilzten Glasfasern.

Marina Caretti, Hauptautorin der Arbeit, sagt: «Die Entwicklung unseres Prototyps war eine Herausforderung, da transparente Gasdiffusionselektroden bisher noch nicht demonstriert wurden und wir für jeden Schritt neue Verfahren entwickeln mussten. Da jedoch jeder Schritt relativ einfach und skalierbar ist, denke ich, dass unser Ansatz neue Horizonte für eine breite Palette von Anwendungen eröffnen wird, angefangen bei Gasdiffusionssubstraten für die solarbetriebene Wasserstofferzeugung.»

Vom flüssigen Wasser zur Feuchtigkeit in der Luft

Sivula und andere Forschungsgruppen haben bereits gezeigt, dass es möglich ist, eine künstliche Photosynthese durchzuführen, indem sie mit Hilfe einer so genannten photoelektrochemischen Zelle (PEC) aus flüssigem Wasser und Sonnenlicht Wasserstoff als Brennstoff erzeugen. Eine PEC-Zelle ist allgemein als ein Gerät bekannt, das einfallendes Licht nutzt, um ein lichtempfindliches Material wie einen Halbleiter, der in eine flüssige Lösung getaucht ist, zu einer chemischen Reaktion anzuregen. Für praktische Zwecke hat dieses Verfahren jedoch einige Nachteile, z. B. ist es kompliziert, grossflächige PEC-Geräte herzustellen, die eine Flüssigkeit verwenden.

Sivula wollte zeigen, dass die PEC-Technologie stattdessen für die Gewinnung von Feuchtigkeit aus der Luft angepasst werden kann, was zur Entwicklung der neuen Gasdiffusionselektrode führte. Es wurde bereits gezeigt, dass elektrochemische Zellen (z. B. Brennstoffzellen) mit Gasen anstelle von Flüssigkeiten funktionieren, aber die bisher verwendeten Gasdiffusionselektroden sind undurchsichtig und nicht mit der solarbetriebenen PEC-Technologie kompatibel.

Die Forschenden konzentrieren sich nun darauf, das System zu optimieren. Was ist die ideale Fasergrösse? Die ideale Porengrösse? Die idealen Halbleiter und Membranmaterialien? Diesen Fragen geht das EU-Projekt «Sun-to-X» nach, das diese Technologie vorantreiben und neue Wege zur Umwandlung von Wasserstoff in flüssige Kraftstoffe entwickeln soll.

Herstellung transparenter Gasdiffusionselektroden

Um transparente Gasdiffusionselektroden herzustellen, beginnen die Forschenden mit einer Art Glaswolle, bei der es sich im Wesentlichen um Quarzfasern (auch bekannt als Siliziumoxid) handelt, und verarbeiten sie zu Filzwafern, indem sie die Fasern bei hoher Temperatur miteinander verschmelzen. Anschliessend wird der Wafer mit einer transparenten Dünnschicht aus fluordotiertem Zinnoxid beschichtet, das für seine hervorragende Leitfähigkeit, Robustheit und einfache Skalierbarkeit bekannt ist. Diese ersten Schritte führen zu einem transparenten, porösen und leitfähigen Wafer, der den Kontakt mit den Wassermolekülen in der Luft maximiert und die Photonen durchlässt. Anschliessend wird der Wafer erneut beschichtet, diesmal mit einer dünnen Schicht aus sonnenlichtabsorbierenden Halbleitermaterialien. Diese zweite dünne Beschichtung lässt immer noch Licht durch, erscheint aber aufgrund der grossen Oberfläche des porösen Substrats undurchsichtig. Dieser beschichtete Wafer kann bereits Wasserstoff erzeugen, wenn er dem Sonnenlicht ausgesetzt wird.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bauten daraufhin eine kleine Kammer, die den beschichteten Wafer sowie eine Membran zur Abtrennung des erzeugten Wasserstoffgases für Messungen enthält. Wenn ihre Kammer unter feuchten Bedingungen dem Sonnenlicht ausgesetzt wird, wird Wasserstoffgas erzeugt. Damit haben die Wissenschaftler ihr Ziel erreicht und gezeigt, dass das Konzept einer transparenten Gasdiffusionselektrode für die solarbetriebene Wasserstoffgasproduktion realisierbar ist.

Die Forschenden haben den Wirkungsgrad der Umwandlung von Solar- in Wasserstoffgas in ihrer Demonstration zwar nicht formell untersucht, räumen aber ein, dass er für diesen Prototyp bescheiden ist und derzeit unter dem liegt, der in PEC-Zellen auf Flüssigkeitsbasis erreicht werden kann. Ausgehend von den verwendeten Materialien beträgt der maximale theoretische Wirkungsgrad der Umwandlung von Sonnenenergie in Wasserstoff bei dem beschichteten Wafer 12 %, während bei Flüssigzellen ein Wirkungsgrad von bis zu 19 % nachgewiesen wurde.