Empa

Der Transistor aus dem Drucker

«Gedruckte Elektronik» ist ein wachsendes wissenschaftliches Feld, bei dem Transistoren und andere elektronische Bauteile auf beliebiger Unterlage gedruckt werden können. Die Empa hat sich darin zu einer führenden Adresse entwickelt. Im «Coating Competence Center» (CCC) werden neueste Drucktechniken 
eingesetzt, die völlig neue Anwendungen ermöglichen. 
«Der absehbare Bedarf an gedruckter Elektronik ist riesengross», urteilt Jakob Heier, auf dem Bild mit Evgeniia Gilshtein (r.) im Coating Competence Center (CCC) der Empa. (© ETH Board / Kellenberger Kaminsiki)

Auf den ersten Blick klingt es wie ein Widerspruch: «Printed Electronics», gedruckte Elektronik, wie Transistoren, elektronische Halbleiter-Bauelemente zur Steuerung von Spannungen und Strömen, die auf beliebiger Unterlage von einem Drucker aufgebracht werden können. Kann es so etwas geben? Allerdings. Die Welt wartet sehnsüchtig auf solche Innovationen, insbesondere für das schnell wachsende Internet der Dinge, das Milliarden, sogar Billionen miteinander verbundener Sensoren und Geräte vorsieht. Um solche riesigen Mengen herzustellen, müssen schnelle Druckverfahren im Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf flexiblen Substraten wie Polymere oder Papier her. 

Gedruckte Elektronik ist ein äusserst multidisziplinäres Feld. Jakob Heier etwa ist Physiker, promovierte in Material- und Ingenieurwissenschaften, arbeitete zwischenzeitlich in einem Start-up an der Entwicklung von elektronischem Papier und kam über die Polymerphysik zur Formulierung von Tinten schlussendlich zum Druck. Heute betreut er neben seiner Forschungsgruppe am Empa-Labor für Funktionelle Polymere auch die zum Druck von Elektronik notwendigen Druckanlagen am CCC. 

«Die Blitzlampenausheilung ist das eigentlich bahnbrechend Neue. Mit einem Wimpernschlag erreichen wir am exakt richtigen Ort die notwendige Temperatur.»      Evgeniia Gilshtein, Forschende am Empa- Labor für Dünnschichten und Photovoltaik

Evgeniia Gilshtein ihrerseits ist Postdoktorierende am Empa-Labor für Dünnschichten und Photovoltaik. Einem Team aus diesem Labor war es vor einiger Zeit gelungen, Polymer-Folien mit elektronischen Schaltungen und Sensoren aus anorganischen Materialien zu bedrucken. Möglich wurde dieser Durchbruch dank dem Projekt «FOXIP» (Functional Oxides Printed on Polymers and Paper), das durch den strategischen Forschungsschwerpunkt «Advanced Manufacturing» des ETH-Bereichs finanziert wurde. Während das Drucken von organischen Transistoren bereits seit längerem bekannt ist, wagte sich das Empa-Team zusammen mit Kolleginnen und Kollegen der EPFL und des PSI erstmals an das Drucken von anorganischen Transistoren, die nicht nur eine höhere Leistung versprechen, sondern die auch deutlich stabiler sind. Dabei kamen Tinten aus oxydischen Nanopartikeln zum Einsatz, die mit hochspezialisierten Anlagen im CCC der Empa zu gedruckter Elektronik werden. Die Toleranzen beim Druckvorgang liegen dabei im Mikrometerbereich.

«Der absehbare Bedarf an gedruckter Elektronik ist riesengross», urteilt Heier. «Je stärker sich dünne Sensoren auch zum Monitoring von körperlichen Zuständen oder auf Verpackungen von Lebensmitteln und weiteren Anwendungen verbreiten.» Bereits 2020 hatte ein einschlägiger Report aufgezeigt, dass sich dieser Bereich inzwischen zu einem Weltmarkt von jährlich über 35 Milliarden Dollar entwickelt hat. Tendenz stark steigend. Geradezu prototypisch für diese Entwicklung steht eine neuartige Anwendung von gedruckter Elektronik, für die Gilshtein verantwortlich ist. 

Unsichtbares Schlüsselloch

Die Empa-Forscherin hat mit gedruckter Elektronik ein unsichtbares Schlüsselloch entwickelt, bei dem nur Eingeweihte wissen, wo und wie der Zugangscode einzugeben ist – die perfekte Tarnung für Türen, Schliessfächer oder auch Fenster. Dabei konnte Gilshtein auf dem bereits bestehenden Know-how der Empa beim Druck von Elektronik auf Dünnfilmfolien aufbauen und dieses auf raffinierte Weise weiterentwickeln. Zunächst wurden die kapazitiven Sensoren, wie schon oft praktiziert, auf die Träger-folie gedruckt. Dann aber galt es, die metallhaltige Nanopartikel-Tinte aus Indium-Zinnoxid transparenter und leitfähiger als herkömmliche Stoffe zu machen. Dies geschah mit einem Trick: Die bereits auf Folien gedruckten Muster wurden blau eingefärbt und «in einer Millisekunde mit einer superhellen, energiereichen Lichtquelle bearbeitet», so Gilshtein. «Durch den Farbstoff wird das einfallende Licht in der Nanopartikelschicht vollständig absorbiert und diese zu einer homogenen festen Schicht versintert.» Als durchaus gewünschter Nebeneffekt zersetzt sich dabei die blaue Einfärbung, die elektrisch leitende Indium-Zinnoxidschicht wird optisch transparent, also für das menschliche Auge unsichtbar.            

Die auf diesem Wege entwickelte «Geheimtinte» machte ein unsichtbares Schlüsselloch für einen Banksafe erst möglich. «Die Blitzlampenausheilung ist das eigentlich Bahnbrechende. Damit erreichen wir mit einem Wimpernschlag am exakt richtigen Ort, nämlich in der gedruckten Schicht, die erforderliche Temperatur von mehr als 500 °C, um das elektrisch leitende Material herzustellen. Die zu bedruckende Unterlage, also Papier oder Polymere, wird dabei kaum erwärmt», so Gilshtein.

Die Empa-Forscherin will sich wissenschaftlich nun aber einem anderen Thema zuwenden: Der dehnbaren gedruckten Elektronik, ultradünnen Sensoren, die in vielfältiger Form direkt auf der menschlichen Haut zur Anwendung gelangen werden. Das nächste grosse Ding in der gedruckten Elektronik?