WSL

Was Isotope über den Klimawandel verraten

Matthias Saurer ist Physiker und leitet das Isotopenlabor an der WSL, wo mit komplexen Messverfahren die Isotopenverhältnisse von Pflanzen bestimmt werden. Diese geben zum Beispiel Antworten auf Fragen zum Nährstoff- und Wasserhaushalt in Wäldern und liefern wichtige Grundlagen für die Umwelt- und Klimaforschung.
Von seinem Labor an der WSL aus misst Matthias Saurer die Isotopenverhältnisse von Pflanzen. (© ETH-Rat / Kellenberger Kaminsiki)

«Isotope sind die Konstante in meinem Forscherleben», sagt Matthias Saurer, der an der WSL in Birmensdorf das Isotopenlabor leitet, wo mehrere Massenspektrometer stehen. «Isotope sind Atome eines Elements, die in stabiler oder radioaktiver Form unterschiedlich viele Neutronen und damit unterschiedliche Massen haben. Massenspektrometer im Labor erlauben es, Isotope von Kohlen-, Wasser-, Sauer- oder Stickstoff zu untersuchen, die natürlicherweise in der Umwelt vorkommen», erklärt der Wissenschaftler. So lassen sich Isotopenverhältnisse bestimmen und hochauflösende Isotopenanalysen von organischem Material bewerkstelligen, was in ganz unterschiedlichen Forschungsbereichen nützlich ist. «Es geht darum, mit immer genaueren Methoden an der vordersten Front der Forschung aktiv zu sein», konstatiert Saurer, «und Grundlagenforschung zu betreiben.»

Diese kann helfen, komplexe Veränderungen in der Natur besser zu verstehen. Beispielsweise den durch vielfältige Faktoren verursachten dramatischen Rückgang der Biodiversität. Oder die Auswirkungen von zunehmender und häufigerer Trockenheit im Wald. Daraus resultieren Erkenntnisse, die letztlich Grundlagen für behördliche Massnahmen zum Schutze der Natur und der menschlichen Lebensgrundlagen liefern.  
 

Für die Entwicklung der Isotopenforschung rund um Klima und Ökologie steht auch Saurer selbst. Am Physikalischen Institut der Universität Bern hatte er über Isotope promoviert und schon früh das Massenspektrometer eingesetzt. Später war er am Aufbau dieser Methodik am Labor für Atmosphärenchemie am PSI beteiligt. In dieser Zeit entwickelte sich in der Wald- und Umweltforschung ein immer stärkeres Interesse an stabilen Isotopen und dadurch eine intensive Zusammenarbeit mit der WSL. 2017 konnte Saurer die Messgeräte und seinen Arbeitsplatz vom PSI an die WSL verlegen und wurde dort Leiter des neu geschaffenen Isotopenlabors: Damit konnte die Messtechnik aus der Physik und die Expertise für Forschung über Wälder und Landschaften auch örtlich zusammengebracht werden. Isotopenforschung ist komplex und den Isotopen in der Pflanze kommt eine Querschnittsfunktion zu. So spielen bei jeder wissenschaftlichen Fragestellung andere Disziplinen stark mit hinein.

Bei der Waldforschung etwa die Biologie und Klimatologie. Für das Verständnis der Prozesse in den Pflanzen die Chemie oder Biochemie. Mit dem interdisziplinären Ansatz und den Instrumentarien der Massenspektrometer trägt die Forschung von Isotopen zum besseren Verständnis von oftmals versteckten Vorgängen in der Natur bei, und Forschende am Isotopenlabor können eine ganze Reihe von wichtigen Fragen beantworten. Etwa zum Nährstoff- und Wasserhaushalt in Wäldern. Mit spezifischeren Analysen lassen sich auch einzelne Bestandteile wie Zucker in Blättern oder Baumnadeln untersuchen, in denen durch die Fotosynthese die verschiedenen Isotope von Kohlenstoff und Sauerstoff aufgenommen werden. Bei Trockenheit verändert sich deren Isotopensignatur, die dann auch in das Holz gelangt und dort dauerhaft gespeichert wird. Deshalb ist der Isotopenforscher sehr daran interessiert, zu verstehen, was bei Klimaveränderungen in den Nadeln der Bäume vor sich geht.
 

«Isotopenforschung ist Grundlagenforschung, um versteckte Vorgänge in der Natur besser zu verstehen. Beispielweise, was bei Klimaveränderungen in den Baumnadeln vor sich geht und wie dieses Signal im Holz gespeichert wird»      Matthias Saurer, Leiter Isotopenlabor WSL

Eine klassische Anwendung stellt die Forschung an Jahresringen von Bäumen dar. So war das Isotopen-
labor im Jahr 2020 beteiligt, als ein internationales Forschungsteam über 27 000 Messungen der Isotopenverhältnisse von Sauerstoff und Kohlenstoff an 147 europäischen Eichen mit Hilfe von Jahrringen in einem Zeitraum von mehr als 2000 Jahren analysierte. Die Baumproben stammen aus historischen Brunnen, Gebäuden oder Pfahlbauten, aus Ufersedimenten und lebenden Bäumen in Tschechien und Bayern. Es ist die detaillierteste Datensammlung über die hydroklimatischen Bedingungen vom Römischen Reich bis heute. 

Ein stichhaltiger Beweis für den Klimawandel? Die aufwändige Holzchronologie über zwei Jahrtausende und die gemessenen Isotopenverhältnisse legen den Schluss nahe, dass die Trockenperioden der vergangenen fünf Jahre tatsächlich aussergewöhnlich gewesen sind. 

 «Bei Aussagen zum Klimawandel existieren unterschiedliche Sicherheiten», so Saurer. «Dass der CO2-
Anstieg in der Atmosphäre vom Menschen verursacht wird, ist klar, ebenso wie der damit verbundene Temperaturanstieg. Aber schon bei den Starkregen sind eindeutige Aussagen schwieriger.» Der Grund: Niederschläge sind sehr heterogene Phänomene, regionale, oftmals nur punktuelle Ereignisse. Eine eindeutige Kausalität zum CO2-Anstieg herzustellen, ist nicht einfach. Aber auch hier hilft die Isotopenforschung weiter. «Unsere Jahrringanalysen bringen in dieser Frage immer wieder wichtige neue Erkenntnisse», konstatiert Saurer.