Wasser in der Siedlung ist zentral gegen Hitze

Hitzeperioden und lokale Starkregen werden mit dem Klimawandel zunehmen. Die traditionelle Siedlungsentwässerung stösst an ihre Grenzen. Mit Konzepten aus blau-grüner Infrastruktur können die Probleme angegangen werden. Gut geplante Lösungen bieten gleichzeitig einen Mehrwert für die Biodiversität und die Lebensqualität in den Städten.
Der MFO Park in Zürich Oerlikon zeigt, wie Begrünung zur Gestaltung und Kühlung von urbanen Räumen für Natur und Mensch genutzt werden kann. (Foto: Eawag, Max Maurer)

Alle Klimamodelle sind sich einig, dass Hitze- und Trockenperioden künftig auch in der Schweiz länger anhalten und intensiver sein werden. Ebenfalls zunehmen werden aber auch heftige Regenfälle, welche die Siedlungsentwässerung vor grosse Probleme stellen. Fast ein wenig als «Allerweltsheilmittel» gegen beide Tendenzen wird zur Zeit der Begriff der BGI (Blau-Grüne Infrastruktur) gehandelt. Darunter werden, vereinfacht gesagt, Grün- und Wasserflächen in der Stadt verstanden – Bäume, sowie begrünte Dächer oder Fassaden eingeschlossen. Wegen des Rückhalts und der verzögerten Abgabe des Wassers wird gelegentlich auch von «Schwammstadt» gesprochen oder noch weiter gefasst von NBL (Nature Based Solutions, also naturnahe Lösungsansätze).

Verdunstung wichtigster Kühlmechanismus

Zu einem modernen Verständnis von BGI zählt, dass man darunter nicht nur einen einzelnen Baum oder einen Springbrunnen im Park versteht, sondern dass dahinter eine strategische Planungsabsicht steckt und dass auch das Potential von BGI zur Verbesserung der Ökologie erfasst wird. Ein möglichst naturnaher Wasserkreislauf mit Bachläufen und offenen Wasserflächen im Siedlungsraum spielt daher eine wichtige Rolle in allen BGI-Konzepten. Dies insbesondere deshalb, weil verdunstendes Wasser klar der dominante Kühlungsmechanismus ist und weil Gewässer als Vernetzungs- und Wanderkorridore im Siedlungsgebiet für die Biodiversität sowie für die Lebensqualität der Anwohnenden enorm wichtig sind.

Multifunktionale Anlagen als Chance

Das zeigt eine vom Wasserforschungsinstitut Eawag durchgeführte Literaturanalyse zu blau-grüner Infrastruktur, die soeben unter dem Titel «Urbane Strategien zur Hitzeminderung» in der Zeitschrift Aqua & Gas publiziert wurde. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher haben dabei nicht nur Vegetation (Bäume, Gründächer etc.) und Wasserflächen (Teiche, Brunnen etc.), sondern auch spezielle Oberflächen (z.B. wasserdurchlässiger Asphalt) und auf Kühlung ausgerichtete Praktiken (Förderung von Kaltluftkorridoren, Bewässerung etc.) untersucht und bezogen auf ihr Potential für die Kühlung in der Stadt klassiert. Die Bewässerung von Oberflächen und Grünflächen sowie das Fördern von Kaltluftkorridoren haben dabei klar die stärkste Kühlwirkung. Besonders attraktiv sind urbane Feuchtgebiete, eine Kombination von Vegetation und offenen Wasserflächen. Sie bieten nicht nur kühlen Naturraum für die Bevölkerung, sie leisten auch einen Beitrag zur aquatischen und terrestrischen Biodiversität. «Diese Multifunktionalität der Anlagen wurde bisher oft ignoriert», sagt Peter Bach, von der Eawag-Abteilung Siedlungswasserwirtschaft.

In bestehende Planungen integrieren

Während für die Siedlungsentwässerung oft schon vor Jahren Planungen erstellt wurden, fehlt an vielen Orten ein integraler Ansatz für die blau-grüne Infrastruktur. Es werden zwar isoliert Massnahmen evaluiert, aber dass ein ganzes Konzept Eingang findet in bestehende Planungen, ist die Ausnahme. Erste Kantone haben Klimaanpassungs- oder Hitzeminderungsstrategien erstellt (z.B. Genf, Luzern, Aargau) und in einzelnen Städten wurden Fachplanungen vorangetrieben (z.B. Hitzeminderung Stadt Zürich, Rahmenplan Stadtklima Winterthur). Die Instrumente sind aber bisher kaum in Gesetzen, Verordnungen und Normen verankert. Ebenso sind Förderprogramme noch eine Seltenheit. Dabei wäre es wichtig, den absehbaren Problemen aus Klimawandel und Innenverdichtung jetzt zu begegnen. So sagt Studienautor Bach: «Ohne integrale Berücksichtigung von BGI werden wir den Anforderungen an die Siedlungsentwässerung nicht mehr gerecht.»

Planspiele für Politikerinnen und Stadtplaner

Welche Massnahme und welche Massnahmenkombination hat welche Wirkung auf die Temperatur in der Stadt? Solche Fragen können heute mit mikroklimatischen Modellen berechnet und auf Karten dargestellt werden. Für die Planerinnen und Planer sind die Angaben wertvoll. Am Wasserforschungsinstitut Eawag wurde daher ein bestehendes Simulationsmodell für die Schweiz erweitert. Es heisst TARGET (für The Air-temperature Response to Green/blue-infrastructure Evaluation Tool). Originalpublikation

Das Modell berücksichtigt Bodenbedeckung sowie Gebäude- und Strassengrössen. Anwendungen in Zürich und Bern zeigten gute Übereinstimmungen der Vorhersagen mit Daten, welche die Forschenden auch von räumlich verteilten, privaten Wetterstationen gesammelt haben. In einem vom Nationalfonds geförderten Projekt (namens «Heat-Down») soll das Modell nun verfeinert werden. Insbesondere soll der regionale Wasserkreislauf mitsimuliert werden. Target seinerseits ist ein Modul, das auch im viel breiter angelegten Stadtplanungstool UrbanBEATS (für Urban Biophysical Environments And Technologies Simulator) eingebaut wird. Von beiden Modellen können die Vorläuferversionen frei heruntergeladen werden auf: www.urbanbeatsmodel.com