Abwassermonitoring auf Coronaviren wird erweitert

Das Monitoring von Abwasserproben hat das Potential, als weiterer Indikator – neben Fallzahlen, Hospitalisierungen und Todesfällen – das Pandemiegeschehen abzubilden. Nun wird das schon laufende Forschungsprojekt mit Unterstützung des Bundesamts für Gesundheit von zwei auf sechs Kläranlagen erweitert.
Probenahme in der Kläranlage. (Eawag, Andri Bryner)
Auf den Kläranlagen in Zürich und Lausanne werden seit dem Sommer 2020 regelmässig Abwasserproben genommen und inzwischen täglich auf das neue Coronavirus untersucht. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit zwischen Eawag und EPFL. Neu ist auch die ETH beteiligt, da das Virengut einzelner Proben nun auch auf die Varianten sequenziert wird. Nun wurde das Projekt erweitert. Seit anfangs Februar und noch bis im Juli 2021 wird das Abwasser von vier weiteren Kläranlagen beprobt, in Altenrhein, Chur, Laupen und Lugano. Die Wahl erfolgte nach der geographischen Lage und der Struktur des Einzugsgebiets der Anlagen. Um möglichst viel Erfahrungen sammeln zu können sollen sowohl eher ländlich, aber auch städtisch geprägte Räume untersucht werden. Heute hat der Umweltingenieur Christoph Ort vom Wasserforschungsinstitut Eawag das Projekt an der regelmässigen Covid19-Medienorientierung des Bundesamts für Gesundheit BAG vorgestellt. Wir stellten Christoph Ort vier Fragen.

Was ist der Vorteil der Virensuche im Abwasser?

Christoph Ort: Erstens sind die Resultate nicht davon abhängig, ob und wie viele klinische Tests gemacht werden, denn zur Toilette gehen alle, auch die Corona-Skeptiker. Obwohl das Abwasser nicht lügt müssen wir raffinierte Mess- und Auswertmethoden entwickeln, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Und zweitens können so mit einer einzigen Probe, die über 24 Stunden im Zulauf einer grossen Kläranlage gesammelt wurde, sehr viele Personen erfasst werden, im Fall der Zürcher Kläranlage Werdhölzli rund 450'000 Menschen.

Was kann die Abwasseranalyse nicht leisten?

Die gemessenen Virenkonzentrationen können zwar den Verlauf der Infektionen nachzeichnen, sie geben aber nur bedingt Aufschluss über die effektive Zahl der Infizierten. Denn wir wissen immer noch zu wenig, wer, wann, wieviel identifizierbares Erbgut der Viren ausscheidet. Anfangs hatten wir auch gehofft, wir wären mit der Abwasseranalyse viel schneller als mit den klinischen Tests. Unter den Forschenden im In- und Ausland sprach man von bis zu zwei Wochen Vorwarnzeit. Da inzwischen viel mehr getestet werden kann und die Resultate schneller vorliegen als am Anfang ist der Vorsprung nicht mehr so gross.

Weltweit haben mehrere Forschergruppen an den Methoden zur Corona-Detektion im Abwasser gearbeitet. Warum einigt man sich nicht einfach auf eine einzige Methode?

Im Nachhinein könnte das möglich werden. Bei den Abwassertests zum Drogenkonsum haben wir mittlerweile europaweite Standards aufgebaut und sichern mit Ringversuchen ab, dass alle beteiligten Labore gleich messen. Das hat aber fast 15 Jahre gedauert. Wenn etwas Neues auftaucht, ist es jedoch genau der Wettstreit unter den Forschenden, der verschiedene Verfahren und Szenarien untersucht und so schneller zur Bewältigung des Problems beiträgt, als wenn erst alles normiert würde. Das Risiko, auf das falsche Pferd zu setzen, wäre gross, und lokal auftretende Besonderheiten – etwa in der Zusammensetzung des Abwassers – blieben unberücksichtigt.

Wann kommt das flächendeckende Abwassermonitoring für die ganze Schweiz?

Es ist nicht die Aufgabe eines Forschungsinstituts, ein Routineprogramm aufzubauen. Aber wir stellen unser Wissen bereits jetzt zur Verfügung, sei das für den Bund, die Kantone oder auch für private Labore. Sinnvoll wäre aus meiner Sicht ein Basismonitoring des Abwassers vor allem dann, wenn das Virus gebannt scheint und kaum mehr klinische Tests gemacht werden. Dann hätten positive Resultate aus dem Abwasser doch die erwähnte Frühwarnfunktion. Die nun angepackte Erweiterung wird uns zusätzliches Wissen und Erfahrungen bringen, die für den Fall einer noch breiteren Anwendung nützlich sind.