Erster Schritt zur Normalisierung der Beziehungen zur EU

Die Herbstsession ist seit dem 13. September in vollem Gange. Während dreier Wochen behandeln National- und Ständerat Geschäfte, die auch für den ETH-Bereich von Bedeutung sind, so unter anderem die Freigabe der Kohäsionsmilliarde an ausgewählte EU-Staaten oder das Gentechnikgesetz.
Der Nationalrat wird erst in der Wintersession des Parlaments über die EU-Kohäsionsmilliarde abstimmen. (©Schweizer Parlament)

Der Bundesrat hat die Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU Ende Mai 2021 beendet. Um die Beziehungen zur EU zu normalisieren, will er den zweiten Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten, die sogenannte Kohäsionsmilliarde, möglichst rasch freigeben. Das Parlament wird diesen zweiten Kohäsionsbeitrag indessen nicht wie erhofft bereits in der Herbstsession verabschieden. Der Ständerat (Erstrat) behandelt die Vorlage am Ende der Herbstsession. Somit kann der Nationalrat erst im Rahmen der Wintersession über das Geschäft beraten. Die BFI-Akteure haben ein grosses Interesse, dass sich die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU möglichst rasch normalisieren, ist doch die Schweiz aufgrund des gescheiterten Rahmenabkommens seit Mitte 2021 nicht mehr beim bedeutenden EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe» dabei.

Gentechnikgesetz: Verlängerung des Moratoriums um weitere vier Jahre

Seit 2005 besteht in der Schweiz ein Moratorium für den Anbau gentechnisch veränderter Organismen in der Landwirtschaft. Das Moratorium wurde aufgrund der damals angenommenen Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft» eingeführt. Das Parlament hat das Moratorium bisher dreimal verlängert. Der Bundesrat will es nun um weitere vier Jahre (bis Ende 2025) verlängern. Das Moratorium betrifft auch Produkte aus neuen gentechnischen Verfahren. Der Nationalrat behandelt das Geschäft am 23. September.

Weitere Themen: Beratung des Bundesrats in Krisen und China

Der Ständerat behandelt am 27. September einen Vorstoss von Erich Ettlin (Die Mitte/OW). Demgemäss soll der Bundesrat Gremien einrichten können, die in der Verwaltung fehlende Expertise und Fachwissen einbringen. Diese sollen dem Kommissionsgeheimnis unterliegen und entlang eines im Voraus festgelegten Kommunikationskonzepts kommunizieren. «Vor sich selbst konstituierenden, einseitig-ausgerichteten und erst noch politischen Gremien ist Abstand zu halten», heisst es im Vorstoss. Er spricht sich somit mehr oder weniger explizit gegen Gremien wie die aktuelle Swiss National COVID-19 Science Task Force aus.

Auch die Beziehungen zu China sind wieder Thema im Parlament. Die Aussenpolitische Kommission des Ständerats möchte eine verbesserte Koordination der China-Aktivitäten (inkl. Wissenschaft) sowie eine Stärkung des China-Wissens in der Schweiz. Sie schlägt dazu einen institutionalisierten Austausch aller relevanten Akteure vor. Der Ständerat behandelt den Vorstoss am 30. September.

Gentechnikgesetz: Position ETH-Rat – Fragen an Michael Hengartner, Präsident des ETH-Rats

Wie steht der ETH-Rat zur Verlängerung des Moratoriums?

Das Moratorium schadet dem Forschungs- und Innovationsstandort Schweiz. Dort wo Anwendungen verboten sind, gibt es kaum neue Startups, und die fehlenden Berufsaussichten schrecken Nachwuchstalente ab.

Aus naturwissenschaftlicher Sicht gibt es auch keinen Grund, das Moratorium zu verlängern. Nach jahrzehntelanger Forschung gibt es in der Wissenschaft einen breiten Konsens , dass genetisch veränderte Pflanzen kein gesundheitliches Risiko darstellen. Da die neuen, auf CRISPR/Cas9-basierenden Methoden Mutationen einführen, die auch natürlich entstehen können, sind sie noch unbedenklicher als die herkömmlichen Methoden. Solche Pflanzen sollten eigentlich gar nicht unter das Gentechnikgesetz fallen. Wir empfehlen dem Bund dringend, diesen Punkt nochmals genau unter die Lupe zu nehmen.

Auf der anderen Seite müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass ein breiter Teil der Schweizer Bevölkerung der grünen Gentechnologie nach wie vor skeptisch gegenübersteht. Diese Tatsache zu ignorieren wäre falsch. Die Corona Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, Entscheide nicht an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei zu treffen. Eine Aufhebung des Moratoriums zum jetzigen Zeitpunkt würde die Gräben wohl nur noch weiter vertiefen und damit den langfristigen Erfolg dieser zukunftweisenden Technologien gefährden.  Die Wissenschaft muss im Hinblick darauf im Dialog mit der Gesellschaft bleiben.

Im Sinne von «lieber ein gutes Resultat morgen als ein nur bedingt befriedigendes Resultat heute» unterstützt der ETH-Rat die Verlängerung des Moratoriums. Er verknüpft sie aber mit der Forderung, dass in den kommenden vier Jahren noch viel intensiver über die Vor- und Nachteile dieser Technologie diskutiert, sowie pragmatische Lösungen zur Frage der Koexistenz von transgenen und nicht-transgenen Pflanzen ausgearbeitet werden.

Wieso stellt sich denn der ETH-Rat nicht klarer hinter die Forschung und sagt Nein zur Verlängerung des Moratoriums?

Die grüne Gentechnologie ist ein wunderbares Werkzeug, das uns helfen kann, unsere einheimischen Pflanzenarten gegen die Klimaerwärmung zu schützen, Erträge zu verbessern und Pestizide zu vermeiden. Ohne gesellschaftliche Akzeptanz kann die Schweiz aber von diesen Vorteilen nicht profitieren. Aus diesem Grund müssen die nächsten vier Jahre unbedingt genutzt werden, um die gesellschaftliche Diskussion zu den neuen gentechnischen Verfahren und ihrem Potenzial für eine nachhaltige Landwirtschaft zu intensivieren.