Zukünftige Implantate sind biologisch abbaubar und nicht-invasiv

EPFL-Ingenieurinnen und -Ingenieure haben eine neuronale Schnittstelle entwickelt, die sich nach einigen Monaten im Körper abbaut und natürliches Gewebe nachwachsen lässt. Zudem kann sie in ein Blutgefäss der Patientin statt ins Gehirn implantiert werden, wodurch eine invasive Operation vermieden wird.
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Einige Implantate wie Herzschrittmacher können jahrelang halten, während andere aufgrund technischer Schwächen schnell verschleissen: «Neue neuroprothetische Geräte sind dünner, flexibler und elastischer, wodurch sie besser an die mechanischen Eigenschaften des Hirngewebes angepasst sind», sagt Diego Ghezzi, Professor an der Fakultät für Ingenieurwissenschaft und Technologie der EPFL und Inhaber des Medtronic-Lehrstuhls für Neuroengineering. «Das macht sie aber auch zerbrechlicher und weniger haltbar.» Das Entfernen dieser Implantate kann schwierig oder sogar unmöglich sein, da es in der Regel eine invasive Operation erfordert.

Ein biologisch abbaubares Implantat für längerfristige Anwendungen

Ghezzi und sein Team von Ingenieurinnen entwickeln eine neue Generation von biologisch abbaubaren Implantaten, die dieses Problem umgehen. Die erste Hürde, mit der sie konfrontiert wurden, ist die kurze Lebensdauer biologisch abbaubarer Materialien, die ihre Einsatzmöglichkeiten einschränkt: «Die biologisch abbaubaren neuronalen Schnittstellen, die derzeit entwickelt werden, funktionieren nur für ein paar Tage. Das schränkt die Anwendungsmöglichkeiten stark ein», sagt Ghezzi.

Das Gewebe wächst nach, wenn das Implantat weg ist

Die von Ghezzis Team entwickelte neuronale Schnittstelle besteht vollständig aus Polymeren, die sich nach einigen Monaten auf natürliche Weise abbauen. Es kann daher in mittel- bis langfristigen Anwendungen wie der Überwachung epileptischer Aktivität oder der Unterstützung der Neurorehabilitation nach einer Verletzung eingesetzt werden. Die Ingenieurinnen und Ingenieure fanden auch heraus, dass das umgebende Gewebe auf natürliche Weise nachwächst, sobald das Implantat verschwunden ist. «Das ist anders als bei den meisten Implantaten, die inert sind und nicht mit dem Gewebe interagieren», sagt Ghezzi.

Vorbeugung grösserer invasiver Eingriffe

Das Team wollte auch ein Gerät schaffen, das ohne eine grössere Operation wie eine Kraniotomie implantiert werden kann. Herkömmliche neuronale Schnittstellen werden direkt im Gehirn platziert, und die winzigen Elektroden, die sie enthalten, stimulieren oder zeichnen die Gehirnaktivität auf. Diese Geräte werden z. B. zur Behandlung von Parkinson, Epilepsie und Zwangsstörungen sowie zur Erforschung des Gehirns eingesetzt.

Das von Ghezzi und seinen Mitarbeitenden entwickelte Implantat macht eine invasive Operation überflüssig, da es in ein Blutgefäss der Kranken eingepflanzt werden kann. «Wir haben unser Implantat nach dem Vorbild von Stents entwickelt, die zur Erweiterung von Arterien und Venen verwendet werden», sagt Adele Fanelli, Doktorandin in Ghezzis Labor. «Der chirurgische Eingriff ist inzwischen Routine, und die Erholungszeit ist kurz.» Die neuronale Schnittstelle der EPFL kann mit dem Gehirn kommunizieren, muss aber nicht in direktem Kontakt mit dem Nervensystem stehen. Da sie aus Polymeren und nicht aus Metall besteht, ruft sie keine starken Entzündungsreaktionen hervor.

Die Ergebnisse des Teams wurden in den Fachzeitschriften Biomaterials und Advanced Materials Technologies veröffentlicht. «Unsere Forschung zeigt, dass es möglich ist, minimal-invasive Neuroprothesen zu entwickeln, die mit dem umgebenden Gewebe interagieren», sagt Ghezzi. Das eröffnet neue Möglichkeiten für Anwendungen in der Neurotechnologie und erweitert den Kreis der Betroffenen, die von ihnen profitieren können.»